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A1-Bescheinigung hat Relevanz

Auch bei einer Ein-Tages-Dienstreise in einen anderen EU-Mitgliedsstaat muss die A1-Bescheinigung mitgeführt werden. Seit 1. Juli 2019 ist die Beantragung auf elektronischem Weg verpflichtend. Das Formular weist nach, dass der Arbeitnehmer der Sozialversicherungsgesetzgebung des entsendenden Staates unterliegt. Der folgende Artikel erläutert Zweck und Relevanz des Nachweises.

Wenn ein Arbeitnehmer oder Selbstständiger vorübergehend in einen anderen Mitgliedstaat entsendet wird, um dort seine Tätigkeiten auszuführen, entsteht die Frage, welcher Gesetzgebung diese Person unterliegt. Grundsätzlich unterliegt man nämlich der Gesetzgebung des Mitgliedstaates, in dem man beschäftigt ist. Dies gilt jedoch nicht für den Entsendeten - ein Phänomen, über das in der Rechtslehre bereits viel Tinte geflossen ist.

Warum ist die A1-Bescheinigung notwendig?

Dank des Grundsatzes der Einheit der Gesetzgebung kann grundsätzlich nur die Gesetzgebung eines Mitgliedsstaates gültig sein. Das bedeutet, dass die zuständigen (behördlichen) Einrichtungen von verschiedenen Mitgliedstaaten zu einer loyalen Zusammenarbeit verpflichtet sind, und dass sie die gute Anwendung der Vorschriften gewährleisten müssen. In diesem Kontext zeigt das A1-Formular (oder das alte E101-Formular) seine Relevanz. Dieses Dokument muss nämlich von der zuständigen Einrichtung des entsendenden Mitgliedstaates ausgestellt werden und es bescheinigt, dass der betreffende Arbeitnehmer oder Selbstständige weiterhin der Sozialversicherungsgesetzgebung dieses Mitgliedsstaates unterliegt. Das A1-Formular beweist somit, dass die Sozialversicherungsbeiträge nicht in dem Land bezahlt werden müssen, in dem die berufliche Tätigkeit (vorübergehend) ausgeübt wird, sondern im Entsendungsmitgliedstaat. Zudem ist das Formular nicht nur bei Entsendungen gültig, sondern auch in der gesamten Reihe von Umständen, bei denen das Arbeitslandprinzip gänzlich oder teilweise beiseitegeschoben wird1.

Worauf wird der Antrag geprüft?

Die Beantragung des A1-Formulars muss vor Beginn der Beschäftigung erfolgen, kann jedoch in bestimmten Fällen auch mit rückwirkender Kraft ausgestellt werden (Achtung: in bestimmten Ländern wird letztere Option mit Geldbußen sanktioniert). Der Antrag muss bei den Sozialversicherungsbehörden des Landes eingereicht werden, in dem der Arbeitnehmer der sozialen Sicherheit unterliegen wird. Diese Instanz muss dann prüfen, ob alle Entsendungsbedingungen erfüllt sind2. Dies bedeutet vorerst, dass geprüft werden muss, ob es sich um eine Entsendung eines Arbeitnehmers oder eines Selbstständigen handelt. Darüber hinaus muss geprüft werden, ob die verschiedenen erforderlichen Daten, wie beispielsweise das Anfangs- und Enddatum der Entsendung, der Name des Unternehmens, in dem man arbeiten wird, usw. angegeben sind. Wenn der Arbeitnehmer oder Selbstständige die Entsendungsbedingungen erfüllt, gibt er eine Erklärung ab, dass die Gesetzgebung des entsendenden Staates gültig bleibt, unter welchen Bedingungen und bis wann. Gültigkeit der Bescheinigung

Das A1-Formular schafft die Vermutung, dass der/die Entsendete rechtmäßig der Gesetzgebung des Mitgliedstaates der Instanz unterliegt, die das Formular für die Dauer der Entsendung ausgestellt hat. Es ist nicht Aufgabe des Mitgliedsstaates, in dem die Leistungen ausgeführt werden, das Statut des Arbeitnehmers – wie auf dem Formular angegeben - neu zu qualifizieren3. Im Urteil Fitzwillian und Banks urteilte der Gerichtshof bereits, dass die ehemalige E101-Erklärung die Sozialversicherungseinrichtungen des empfangenden Mitgliedsstaates bindet. Lediglich die Instanzen, die das Dokument ausstellen, sind also an die Qualifikation im A1-Formular gebunden. Der Gerichtshof verdeutlichte diesbezüglich, dass es hauptsächlich um den Inhalt des Arbeitsvertrags geht; falls sich jedoch herausstellt, dass sich die Arbeitssituation eines Arbeitnehmers von der Beschreibung in den Vertragsunterlagen unterscheidet, muss sich die Kontrollorganisation auch auf die tatsächliche Situation beziehen und gegebenenfalls das Dokument ablehnen oder einziehen4. Bei Zweifeln an der Gültigkeit oder Richtigkeit der Fakten, die dem A1-Formular zugrunde liegen, wurde in den europäischen Vorschriften ein Verfahren vorgeschrieben5.

Der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit erfordert in erster Linie, dass die Instanz, die das A1-Formular ausgestellt hat, auf Anfrage des empfangenden Mitgliedsstaates die Richtigkeit der ausgestellten Erklärung erneut untersucht. Wenn ein Meinungsunterschied zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf die geltende Sozialversicherungsgesetzgebung besteht, kann nachträglich ein Dialog- und Vermittlungsverfahren zwischen den betreffenden Mitgliedsstaaten innerhalb der Verwaltungskommission6 eingeleitet werden. Verbindliche Kraft für Sozialversicherungsorgane

Im viel besprochenen Urteil Altun urteilte der Gerichtshof, dass im Fall eines objektiv und subjektiv bewiesenen Betrugs der nationale Richter das A1-Formular aufgrund des allgemeinen Rechtsgrundsatzes „fraus omnia corrumpit“ (der Betrug macht alles zunichte) beiseiteschieben könne, allerdings unter bestimmten Bedingungen. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn der Mitgliedstaat, der das A1-Formular ausgestellt hat, nicht innerhalb einer angemessenen Frist eine Untersuchung einleitet und das Formular nicht einzieht. In einem aktuellen Urteil vom 6. September 2018 bestätigte der Gerichtshof nochmals die verbindliche Kraft des A1-Formulars im Hinblick auf die Sozialversicherungsorgane und gerichtlichen Instanzen des Mitgliedsstaates, in dem die Tätigkeiten ausgeführt werden, solange das Formular noch nicht eingezogen wurde. Die Person, für die ein A1-Formular ausgestellt wurde, kann also nicht dem Sozialversicherungsrecht eines anderen Mitgliedsstaates unterliegen, solange die Erklärung nicht von der Instanz, die es ausgestellt hat, eingezogen wurde.

1 G. VAN DE MOSSELAER, M. GRATIA, “De strijd tegen fraude en rechtsmisbruik bij de bepaling van de toepasselijke socialezekerheidswetgevign tegen de achtergrond van de bindende kracht van A1-verklaringen, Or. 2019, (63) 65.
2A. DREESEN, “Strijd tegen detacheringsfraude, heiligt het doel de middelen?”, Or. 2013, 240 (238).
3 T. PERDIEUS, “Quo vadis, A1?”, Expat News 2019, (8) 8.
4 Gerichtshof 4. Oktober 2012, C-115/11, Format.
5 Art. 5 Verordnung 987/2009 und Erlass A1 der Verwaltungskommission
6 Erlass Nr. A1 vom 12. Juni 2009.
7 Gerichtshof (1. K.) 6. September 2018, C-527/16.
8 T. Perdieus, “Quo Vadis, A1?”, Expat News 2019, (8) 10.